Beschreibung

Das PURA-Syndrom ist ein lebenslanger Zustand ohne Heilung. Die meisten Kinder haben mittelschwere bis schwere Lernschwierigkeiten und Entwicklungsverzögerungen. Viele können nicht alleine sprechen oder gehen. Wirksame Behandlungen können jedoch zu einer verbesserten Lebensqualität verhelfen.

Da dieser sporadisch auftretende Gendefekt die Entwicklung des zentralen Nervensystems im frühen Entwicklungsstadium beeinträchtigt, muss man davon ausgehen, dass zum Zeitpunkt der Diagnose bereits irreversible Defekte vorliegen. Auf absehbare Zeit gibt es deshalb wenig Hoffnung auf eine echte Heilung, der Zeitpunkt, an dem die Behandlung einsetzen kann ist einfach zu spät.

Die große Hoffnung liegt eher in der möglichen Verringerung der verzögerten Entwicklung, mit dem Hauptaugenmerk, epileptische Anfälle unter Kontrolle zu bringen. Übliche Antiepileptika zeigen leider nur eine sehr geringe bis keine Wirkung, das Verständnis der fehlgeleiteten zellulären Signalwege könnte hier entscheidende Hinweise auf mögliche Medikationen liefern.

Das PURA(=Purine-rich-element-binding-protein-A)-Syndrom ist eine seltene genetische Erkrankung mit weltweit ca. 700 Betroffenen, die ab der Geburt deutliche Entwicklungsstörungen, Muskelschwäche und eine Reihe weiterer Symptome verursacht, deren Ursache eine Mutation im PURA-Gen ist, das PURA-Gen wiederum kodiert für das Protein Pur-alpha, welches ein Transkriptionsfaktor und Transportprotein der RNA ist.

Die Forschungen des Institutes für pharmazeutische Biotechnologie der Universität Ulm, des Helmholtz Zentrums München und vieler internationaler Kolleg:innen versuchen deshalb, die Krankheitsmechanismen des PURA-Syndroms zu verstehen.

Wichtig

PURA ist keine neurodegenerative Erkrankung, das heißt, es gibt keinen fortschreitenden Verlust von Nervenzellen. Derzeit gibt es keine Heilung für diese Erkrankung. Es gibt auch keine Möglichkeit, das PURA-Syndrom zu verhindern, es entsteht durch genetische Veränderungen (Mutationen) während der fötalen Entwicklung. Es gibt auch keine Anzeichen auf eine verringerte Lebenserwartung.

Sollten Sie eine am PURA-Syndrom erkrankte Person betreuen und haben noch keinen Kontakt zu anderen Patienten und wünschen Sie einen Informationsaustausch, so schreiben Sie bitte eine E-mail, ich werde sie weiterleiten.

Überblick

Das PURA-Gen hat eine Reihe verschiedener Funktionen. Es kodiert für ein Protein, Pur-alpha, das in allen Geweben hergestellt wird, einschließlich Gehirn, Muskulatur, Herz und Blut. Pur-alpha spielt bei verschiedenen Prozessen in der menschlichen Zelle eine wichtige Rolle, einschließlich Regulatorfunktionen bei der DNA-Replikation, Transkription und Translation von mRNA, und ist besonders wichtig für die Entwicklung des Gehirns. Aus diesem Grund treten bei einer Mutation des PURA-Gens meist zwei Probleme auf, eine neurologische und eine physiologische Entwicklungsstörung.

Zusätzliche Informationen für Kliniker zu neurologischen Entwicklungsstörungen im Zusammenhang mit PURA befinden sich in der Online-Datenbank PURA Gene Review PURA-Related Neurodevelopmental Disorders

Erkrankungen, die ähnliche Symptome haben wie das PURA-Syndrom

• Das zentrale Hypoventilationssyndrom [OMIM209880]
• Die spinale Muskelatrophie [OMIM253300]
• Die myotone Dystrophie [OMIM160900]
• Das Prader-Willi-Syndrom [OMIM176270]
• Das Angelman-Syndrom [OMIM105830]
• Das Rett-Syndrom [OMIM312750]
• Das Pitt-Hopkins-Syndrom (OMIM610954)
• Stoffwechselerkrankungen/-störungen

Die häufigsten Symptome des PURA-Syndroms

Alle Patienten mit PURA-Syndrom, die bisher verzeichnet wurden, haben zumindest eine leichte bis schwere Lernschwäche und Entwicklungsverzögerung. Andere typische Symptome umfassen:

• Anfälle und anfallartige anormale Bewegungen
Hypotonie (geringe Muskelspannung)
• Probleme bei der Nahrungsaufnahme
• Atemprobleme (einschließlich obstruktiver und zentraler Apnoen)
• Hypersomnolenz (übermäßige Müdigkeit)
• Sehstörungen
• Obstipation (Verstopfungen) https://flexikon.doccheck.com/de/Obstipation
• Instabilität der Körpertemperatur
• Übermäßiger Schluckauf
• Orthopädische Probleme einschließlich Hüftdysplasie und Skoliose
• Endokrine Störungen wie Vitamin-D-Mangel

Wie viele Menschen leiden am PURA-Syndrom

Das PURA-Syndrom ist eine seltene Erkrankung, die zum ersten Mal 2014 in der medizinischen Literatur beschrieben wurde. Bisher wurden weltweit erst einige hundert Personen mit dieser Erkrankung diagnostiziert, darunter sowohl Erwachsene als auch Kinder.

Weltweit gibt es über 478 diagnostizierte Fälle von PURA-Syndrom, die in 47 verschiedenen Ländern leben. Mit jedem Jahr steigt die Zahl der diagnostizierten Fälle des PURA-Syndroms. Damit wächst unser Bedarf an Forschung und Unterstützung.

Kinder und ihre Familien befinden sich auf der ganzen Welt, in Ländern wie Argentinien, Australien, Aserbaidschan, Brasilien, Kanada, der Tschechischen Republik, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Israel, Italien, Malaysia, Neuseeland, Polen, den Niederlanden, Serbien, Singapur, Spanien, die Schweiz, das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten und Österreich und sie haben sich zusammengeschlossen, um sich gegenseitig zu unterstützen.

Mit der zunehmenden Verwendung der neuesten Gensequenzierungstechniken wird erwartet, dass diese Erkrankung in den kommenden Jahren bei viel mehr Menschen (vermutliche einige tausend Personen) diagnostiziert wird.

Warum ist die Erkrankung aufgetreten

Wenn Kinder gezeugt werden, wird das genetische Material ihrer Eltern in der Eizelle und im Sperma kopiert, aus denen ein neues Kind entsteht. Die biologische Kopiermethode ist jedoch nicht perfekt und manchmal treten zufällige, seltene Veränderungen auf.

Solche Veränderungen können daher nicht bei den Eltern eines Kindes gefunden werden. Bei fast allen Familien, die uns bisher bekannt sind, hat die DNA-Veränderung in PURA „aus heiterem Himmel“ auf diese Art stattgefunden, das ist, was Genetiker als de-novo-Veränderung bezeichnen.

Aus diesem Grund – und das ist für uns Eltern sehr wichtig zu wissen – sind Eltern keinesfalls „Schuld“ an diesem Gendefekt und dem Auftreten des PURA-Syndroms.

Kann es in der gleichen Familie nochmals dazu kommen?

Der Grund für ein gewisses Restrisiko des Wiederauftretens beruht auf einem seltenen Phänomen namens „gonadaler Mosaizismus“. Davon spricht man, wenn ein Elternteil eine genetische Veränderung trägt, die sich jedoch auf eine kleine Gruppe von Ei- oder Samenzellen beschränkt. Daher würde die genetische Veränderung bei einem Bluttest dieses Elternteils nicht festgestellt.

Für eine spezielle Beratung zur Wahrscheinlichkeit, dass die PURA-Veränderung erneut auftritt, ist es sinnvoll, mit einem klinischen Genetiker oder Genberater zu sprechen.

Genetische Beratung

PURA-bezogene neurologische Entwicklungsstörungen, die entweder durch eine heterozygote PURA-pathogene Sequenzvariante oder eine 5q31.3-Deletion verursacht werden, die das gesamte oder einen Teil von PURA umfasst, werden autosomal-dominant vererbt. Bei fast allen Probanden mit einer PURA-pathogenen Sequenzvariante ist die Sequenzvariante de novo, bis heute waren alle gemeldeten 5q31.3-Deletionen de novo.

Für Eltern eines betroffenen Kindes wird das Risiko für zukünftige Schwangerschaften als gering angesehen, da eine de novo genetische Veränderung mit PURA bei der Probandin am wahrscheinlichsten ist. Eltern eines betroffenen Kindes möchten jedoch möglicherweise pränatale Tests oder genetische Präimplantationstests in Betracht ziehen, da das Risiko aufgrund der Möglichkeit eines elterlichen Keimbahnmosaiks größer sein kann als in der Allgemeinbevölkerung (empirisch auf <1%).

Danksagung

Der einleitende Text wurde unter Zuhilfenahme der Erkenntnisse des Institutes für pharmazeutische Biotechnologie der Universität Ulm erstellt, mein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Dierk Niessing und damit auch seinem ganzen Team für die Erlaubnis der Verwendung des Textmaterials.